Kleidung - Pelzgefütterter, Perlen-und seidenbestickter Surcot

Waidgefärbter Surcot mit Zinnknöpfen und Fütterung aus geschorenem Biberpelz, Perlen und BestickungDetail des Verschlusses mit Zinnknöpfung mit floralem Muster
Detail des Löffelärmels mit Bestickung aus Seide und Gold, sowie Perlen
(ca. 1340 - 1380)

Verbleibt bis zum Ende des ersten Viertel des 14ten Jahrunderts die repräsentative Mode des Mannes in Form, Art und Länge äquivalent zu vorhergehenden Jahrhunderten, wandelt sich im Verlaufe des zweiten Viertels das Bild zunehmend, und es tritt etwas ein, was man als "Vergeschlechterung der Mode" bezeichnet.
Die bislang der weiblichen Bekleidung nicht unähnliche repräsentative Mode erfährt eine zunehmende Verknappung, und nähert sich in der Länge damit der Bekleidung des arbeitenden Teiles der Bevölkerung an, der aus praktischen Gründen ungefähr knielange Bekleidung trug. Darüber hinaus tritt an Stelle der weiten, faltenreichen Schlupfgewänder ein neuer Typus, der ob einer stärkeren Körpernähe einen komplexeren Zuschnitt verlangt, der nicht nur den Berufsstand des Schneiders (altfranz. "Tailieur") fördert, sondern auch die weitere Verbreitung von Verschlussarten verlangt, da das Kleidungsstück nicht, wie bisher, über den Kopf gezogen werden kann.
Bis zur Mitte des 14ten Jahrhunderts etabliert sich diese kurze Mode, ausgehend von Frankreich, Spanien und Italien, übergreifend auf England, und mit etwas Verspätung auf im deutschen Reichsgebiet, als vor allem typisch für die Bekleidung der jüngeren Vervölkerungsanteile, während die ältere Generation, sowie der Klerus und Würdenträger, nach wie vor die altmodische, lange, faltenreiche Mode beibehalten, und auch dadurch die lange Bekleidung nie vollständig aus der Mode gerät.

Die kurze Mode jedoch, die zeitgenössische Schreiber oft zu sehr kritischen, aber auch oft übertriebenen Äusserungen veranlasst, treibt die Verknappung weiter vorran, wodurch auch das Oberschenkel des Mannes zunehmend ins Blickfeld gerät, und die bis dato teilweise mässig hohen Beinlinge neue Formen annehmen müssen. Als zusätzliche Problematik tritt nun die Befestigung des Beinlinges ins Blickfeld, da unter der engen Bekleidung weder weite Unterhosen, noch damit verbundene dickwülstige Tunnelzüge, als auch durch alleinig frontale Befestigung eher mässig dauerhaft eng sitzende Beinlinge getragen werden können, was schliesslich um ca. 1340 vermutlich am französischen Hof zur Entwicklung des Wamses führt.
Neben dem klassischen Kittel mit Tunikazuschnitt, im französischen "Cotte", im italienischen "Cotta" genannt, folgt auch der Surcot, der "Überkittel" dieser Entwicklung.
Im Rahmen der Mode lassen sich verschiedene Spielarten beobachten, die sowohl den noch geschlitzen, in Falten fallenden Rockteil beinhalten, als auch zunehmend nach 1340-45 den engen, ebenfalls geschlossenen Schoss. Bei dem hier gezeigten Surcot handelt es sich um eine Mischform, dessen Schoss zwar weite Falten aufweist, jedoch frontal bereits auch an diesem durch Knöpfe geschlossen ist.
Weiteres Merkmal der neuen Mode ist die häufige Verwendung von Zipfen, Zaddeln und Fortsätzen, wie etwa den "Eselsohren", die am Arm des Trägers kurz vor oder hinter dem Ellenbogen herabhängen, und das Innenfutter zeigen.
Ab Anfang des 14ten Jahrhunderts nimmt auch der Gebrauch von Pelzen deutlich zu. Neben den altbekannten Pelzsorten wie Feh, oder dem "königlichen" Hermelin, werden alle möglichen Arten einheimischer oder ausländischer Kleintierarten verarbeitet. Je nach Grösse und Herkunft der Fälle ergeben sich preisliche Unterschiede. Auch einfache Pelze wie z.B. Lamm werden, durchaus auch von weniger "betuchten" Personen, für wärmende Kleidung eingesetzt, während die Oberschicht repräsentative Kleidung mit kostbaren, feinen und dünnen Pelzsorten füttert.
Ebenfalls als Teil der repräsentativen Verzierung der Kleidung nimmt der Gebrauch von Perlen in der Stickerei insbesondere im französischen Raum im 14ten Jahrhundert enorm zu, so daß man hierbei mit Fug und Recht von einer französischen Mode sprechen kann. Diese Entwicklung nimmt solche Ausmaße an, dass um die Mitte des Jahrhunderts in Frankreich eine Verknappung von Perlen einstellt, und als Beute der englischen Truppen im Verlaufe des hunderjährigen Krieges vielfach perlenbestickte Bekleidung und Perlen an sich als Beute erwähnt werden.
Beliebt ist die Anordnung von Perlen in Dreiecksform, wie sie in zahlreichen zeitgenössischen Darstellungen erkennbar ist.
Neben der Perlenstickerei erwähnen Quellen aus dem höfischen wie gutbürgerlichen Umfeld vielfach Bestickungen, die vor allem in Seide ausgeführt zu sein scheinen, in floraler und geometrischer Form, aber auch in komplexen Szenischen Mustern.

Weitere Varianten:

 

 

Vorlage

Dieser Surcot basiert auf vielen zeitgenössischen Darstellungen, sowie querprüfend auf Funden aus London und Herjolfness, Grönland, und verschiedenen Textquellen aus England und Frankreich.
Er besteht aus waidgefärbtem Wollköper, und ist mit geschorenem Biberfell abgefüttert. Die Knopflochgegenfütterung wurde aus mit Wallnuss übergefärbter, naturgrauer Wolle ausgeführt. Als Nähgarn diente blaue Seide und Leinengarn.
Die Knopflöcher wurden auf Basis verschiedener Funde gestickt. Als Verschluss wurden Abgüsse erhaltener Knöpfe aus Zinnguss aus Befunden aus London und Skandinavien gewählt.
Desweiteren ist er mit mit mehreren hundert Perlen bestickt, die ein Dreiecksmuster bilden. Die Löffelärmel sind mit einem Rankenmuster in Nadelmalerei aus Seide und Anlegarbeiten aus Goldlahn verziert.
Darstellung aus dem Alexanderroman: Adeliger mit Surcot mit Löffelärmeln
(In unserem Besitz seit 04/2006 / Stand 25.01.2013)
 

Quellangaben

Luttrell PsalterDer Luttrell-Psalter, ein ca. 1330-45 in England entstandendes Psalmbuch, ist mit eine der wichtigsten, wenn auch sicher englischen Quellen für Kleidung und Werkzeuge der arbeitenden Bevölkerung im frühen 14ten Jahrhundert.
Funde von HerjolfsnesIn dem Fundkomplex bei Herjolfsnes, Grönland, wurden zahlreiche Textilien des Zeitraumes 1300-ca.1420 gefunden, womit es eine der bedeutensten Fundquellen für spätmittelalterliche Textilien darstellt.
LondonfundeTextil-, Metall-, Buntmetall-, Holz-, Leder und Schuhfunde aus dem Hafenbecken von London
AlexanderromanDer Alexanderroman, vermutlich ca. 1338-44 in Flandern (aus der Hand des flämischen Illustrators Jehan de Grise und seiner Werkstatt) entstanden, enthält Verse in französischem (picardischen) Dialekt und (ab 1400) Englisch über "Romance of the Good King Alexande" (über Alexander den Grossen), sowie illustrierte Berichte über die Reisen Marco Polos. Es stellt eine hervorragende Quelle für französische Mode um die Mitte- genauer der ersten Hälfte der 40ger Jahre- des 14ten Jahrhunderts dar.
BNF Fr 12, Lancelot du LacBNF Fr 12, Lancelot du Lac, Frankreich, 1350-60
Bible Sainte-Geneviève, 1350Bible Sainte-Geneviève, Paris, um 1350
MS. 1029MS. 1029, Bibl. Sainte-Geneviève, Paris, 1350
Roman de la RoseHandschrift des französischen Roman de la Rose (ab 13.Jhd, Hier: Folianten um 1350-60). Der Roman de la Rose ist ein Versroman mit zentralem Minnethema und eines der wichtigsten Werke der französischen Literatur des Mittelalters. Er ist in zahlreichen Manuscripten von 1250 bis 1500 erhalten, und wurde auch später noch gedruckt. Damit hatte er einen massiven Einfluss auf die französische Literatur. Die zahlreichen Miniaturen der einzelnen Manuskripte machen diese zu einer hevorragenden ikonographischen Quelle des französischen Mittelalters. Mehr unter Wikipedia
 

Empfohlene Literatur


. . .
. Medieval Rural Life in the Luttrell Psalter .
. .
. .
. . .
Medieval Rural Life in the Luttrell Psalter
Janet Backhouse, University of Toronto Press
Der Luttrell-Psalter, ein ca. 1325-45 entstandenes Psalmbuch des Geoffrey Luttrell, weisst eine für den betreffenden Zeitraum ungeheuer reiche Sammlung an Bildern des ländlichen Lebens und der arbeitenden Bevölkerung auf. In diesem Buch analysiert Janet Backhouse Werkzeuge und Methoden des betreffenden Zeitraumes anhand der farbigen Auszüge aus dem Psalmbuch.
0802083994 (German).
 

. . .
. Woven into the Earth: Textiles from Norse Greenland .
. .
. .
. . .
Woven into the Earth: Textiles from Norse Greenland
Else Ostergard, Aarhus Universitetsforlag
Die Neuanalyse der Textilfunde im grönländischen Herjolfnes birgt an sich wenig spektakuläre Neuerungen gegenüber den ursprünglichen von Nordlund, durch die sehr plastischen Fotos der Originalstücke, der beigefügten Schnitte mit Maßen, den Kapitel über Textilverarbeitung in Grönland aber gewinnt das Buch einen ausserordentlichen Reiz für jeden Darsteller mit Interesse an Textilfunden.
8772889357 (German).
 

. . .
. Dress Accessories, c.1150-c.1450 .
. .
. .
. . .
Dress Accessories, c.1150-c.1450
Geoff Egan, Frances Pritchard, Boydell Press
Aus der Reihe "Medieval Finds from Excavations in London" bietet dieses Buch einen faszinierenden Überblick über die Funde mittelalterlicher Gürtel, Schnallen, Nadeln und anderer Accessoirs aus dem Hafen von London.
0851158390 (German).
 

. . .
. Textiles and Clothing , C.1150-C.1450 .
. .
. .
. . .
Textiles and Clothing , C.1150-C.1450
Elisabeth Crowfoot, The Boydell Press
Das Buch zu den Textilfunden aus dem Hafenbecken von London aus der Reihe der Londonfunde bietet neben der Analyse der Textilien interessante Details zur Textilindustrie speziell des 14ten Jahrhunderts in England, und stellt auf Grund der detaillierten Auswertungen der Verarbeitungstechniken, Materialien und Färbungen eine Pflichtlektüre für hoch-und spätmittelalterliche Textilrekonstruktion dar.
1843832399 (German).
 

<< Zurück zu anderen Gegenständen in dieser Kategorie