Kleidung - Bestickter Hut

Mit Perlen bestickter Gut mit seitlicher Seidenbestickung
Ansicht der linken Seite des Hutes mit Perlen-und SeidenstickereiDetail der Seidenstickerei und des Zinnabzeichens, das den heiligen Christopherus darstellt
(Mitte 14tes Jahrhundert)

Kopfbedeckungen als Schutz vor der Witterung gehörten schon seit Anbeginn aller Zeiten zum Repertoire menschlicher Kleidung. Während spätestens im christlichen Mittelalter das weibliche Geschlecht über die Jahrhunderte nicht erst mit der Eheschliessung verschiedene Haubenformen trug, und die Gugel in verschiedenen Formen beiderlei Geschlecht (Damen: Flämische Frauengugel,Perlenbestickte Gugel,Samtgugel mit Eichhörnchenpelzfutter, Gugel in Mi-Parti">Geknöpfte Gugel in Mi-Parti, Herren: Verzierte gezaddelte Gugel, Gezaddelte Gugel, Fehpelzgefütterte, bestickte Gugel, Fransengugel), vor allem aber den Männern als Schutz vor schlechtem Wetter diente, blieb bis in das 14te Jahrhundert die Vielfalt an Hutformen relativ beschränkt. Charakteristische männliche Kopfbedeckungen des Hoch-und frühen Spätmittelalters waren die rein praktische Bundhaube, aber auch verschiedene Filzhüte mit zurerst vor allem runder Form, neben dem aus der Beletristik bekannten "Robin-Hood" Jagdhut. Um die Jahrhundertmitte des 14ten Jahrhunderts explodierte der Formenreichtum der männlichen Kopfbedeckungen jedoch, und auch die weiblichen Haubenformen nahmen an Vielgestalt zu (mehr dazu u.a. bei Haarnadeln ). Ausgehend von Spanien und Frankreich über England enstand eine wirkliche Hutmode, die in teils extravaganten Kopfbedeckungen (Hoher Filzhut) mündete.


Gleichzeitig verstärkte sich auch die Praxis, Hüte stärkter zu verzieren. Waren bereits schon im vorherigen Jahrhundert pelzverbrämte-und gefütterte Hüte beim Adel vertreten, wurden ca. ab dem 2. Viertel des 14ten Jahrhunderts Hüte zusehends mit Federn, Agraffen und Bestickungen verziert. Charakteristische Verzierungsart ist im französischen Sprachraum die in Dreiergruppen angeordnete Perlenbestickung, wie man sie auch auf der Kleidung findet. Während Bildquellen insgesamt ein relativ zurückhaltendes Bild der Hutverzierung zeichnen, bezeugen zunehmend spezuialisierte Berufe wie der Hutschnurmacher, und Textquellen, die von aufwändigen Stickereien sprechen, von der zunehmenden Extravaganz, die im ausgehenden Mittelalter schliesslich in einer sehr großen Bandbreite der unterschiedlichsten Hutformen (-> Zottechter Hut mit Reiherstutz Filzkappe, Fransengugelhut) mündet.

 

Vorlage

Dieser Hut ist nach einer Reihe von Vorlagen um die Jahrhundertmitte des 14ten Jahrhunderts, und der zweiten Hälfte des 14ten Jahrhunderts, entstanden. Er besteht aus grauem Schafswollfilz, und ist mit einem Futterstoff aus Seide und Leinen in Fischgratbindung gefüttert.
Der obere Teil ist mit Perlen bestickt, die Krempe mit einer Nestel aus Seide und Goldlahn verziert, und die Seiten mit floralen Motiven und Vögeln bestickt, die nach Vorlagen aus dem französischen Alexanderroman gewählt wurden, und Entsprechungen in den Garderobenlisten des englischen und französischen Königshauses, sowie Testamenten von wohlhabenden Einwohnern in Paris haben. 
Zusätzlich sind Pfauenfedern und ein Pilgerzeichen (Heiliger Christopherus, Schutzpatron der Reisenden) nach einem Original aus dem 14ten Jahrhundert angebracht.
Als Hutschnur dienen Nesteln aus blauer Seide und Goldlahn, die mit Brokatquasten verziert sind.

Einige Vorlagen siehe rechts:
  1. Darstellung aus dem MS.M.75 der Morganlibrary, Frankreich, ca. 1350
  2. Darstellung aus dem Luttrell Psalter, Bodleian Library, England, ca. 1330-45
  3. Darstellung aus der grossen Heidelberger Liederhandschrift (Codex Manesse), Nachtragsmaler, Deutschland, linksrheinischer Einfluss, um 1340
  4. Darstellung aus dem MS.G.24 der Morganibrary, Frankreich, ca. 1350-60
(1) MS.M.75, 1350, Frankreich (2) Luttrell Psalter, 1335, England, (3) Manesse, D., 1340 (4) MS.G.24
(In unserem Besitz seit 03/2007 / Stand 31.08.2012)
 

Quellangaben

Luttrell PsalterDer Luttrell-Psalter, ein ca. 1330-45 in England entstandendes Psalmbuch, ist mit eine der wichtigsten, wenn auch sicher englischen Quellen für Kleidung und Werkzeuge der arbeitenden Bevölkerung im frühen 14ten Jahrhundert.
Heidelberger LiederhandschriftDie Grosse Heidelberger Liederhandschrift, auch genannt "Codex Manesse", oder Pariser Handschrift stellt die bedeutenste und berühmteste Quelle deutscher Dichtkunst des ausgehenden Mittelalters dar. Ca. im Zeitraum 1305-1340 (inklusive Nachtragsmaler) entstanden, zeigt sie in den insgesamt 138 Miniaturen ausserdem historisierend Mode des ausgehenden 13ten Jahrhunderts, sowie Mode der ersten Hälfte des 14ten Jahrhunderts.
AlexanderromanDer Alexanderroman, vermutlich ca. 1338-44 in Flandern (aus der Hand des flämischen Illustrators Jehan de Grise und seiner Werkstatt) entstanden, enthält Verse in französischem (picardischen) Dialekt und (ab 1400) Englisch über "Romance of the Good King Alexande" (über Alexander den Grossen), sowie illustrierte Berichte über die Reisen Marco Polos. Es stellt eine hervorragende Quelle für französische Mode um die Mitte- genauer der ersten Hälfte der 40ger Jahre- des 14ten Jahrhunderts dar.
Königliche Garderobenlisten, England, 1340-65Die königlich englischen Garderobenlistenvon 1340-65 sind ein einzigartiges Zeugnis der Kleidung im 14ten Jahrhundert, der Moden, wie sie sich verbreitete, der nationalen Vorlieben, und der Materialien sowie Preise.
Roman de la RoseHandschrift des französischen Roman de la Rose (ab 13.Jhd, Hier: Folianten um 1350-60). Der Roman de la Rose ist ein Versroman mit zentralem Minnethema und eines der wichtigsten Werke der französischen Literatur des Mittelalters. Er ist in zahlreichen Manuscripten von 1250 bis 1500 erhalten, und wurde auch später noch gedruckt. Damit hatte er einen massiven Einfluss auf die französische Literatur. Die zahlreichen Miniaturen der einzelnen Manuskripte machen diese zu einer hevorragenden ikonographischen Quelle des französischen Mittelalters. Mehr unter Wikipedia
Manuscript der Morganlibrary MS G. 24MS G. 24 der Morganlibrary, Frankreich, 1350-60.
 

Empfohlene Literatur


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. Medieval Rural Life in the Luttrell Psalter .
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Medieval Rural Life in the Luttrell Psalter
Janet Backhouse, University of Toronto Press
Der Luttrell-Psalter, ein ca. 1325-45 entstandenes Psalmbuch des Geoffrey Luttrell, weisst eine für den betreffenden Zeitraum ungeheuer reiche Sammlung an Bildern des ländlichen Lebens und der arbeitenden Bevölkerung auf. In diesem Buch analysiert Janet Backhouse Werkzeuge und Methoden des betreffenden Zeitraumes anhand der farbigen Auszüge aus dem Psalmbuch.
0802083994 (German).
 

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. Codex Manesse .
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Codex Manesse
Ingo F. Walther, Insel, Frankfurt
Die große Heidelbergerliederhandschrift, auch "Codex Manesse" genannt, entstand im Zeitraum 1305-1340 und ist eine der bedeutensten Lyriksammlungen der deutschen Geschichte. In diesem Buch werden nicht nur die Farbtafeln in guter Qualität abgedruckt, sondern auch deren Inhalt und Bedeutung analysiert. Die Lieder selbst sind nicht Gegenstand des Buches.
3458143858 (German).
 

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. Fashion in the Age of the Black Prince: A Study of the Years 1340-1365 .
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Fashion in the Age of the Black Prince: A Study of the Years 1340-1365
Stella Mary Newton, The Boydell Press
Dieses Buch bietet eine detaillierte Analyse der bürgerlichen und höfischen Kleidung in England und Frankreich anhand der Royal Wardrobe Accounts in den Jahren 1340-65. Durch die Auswertung von Rechnungen, Kleiderlisten und anderen Schriften lassen sich teilweise jahreszeitliche Modeentwicklungen rückschliessen.
085115767X (German).
 

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. Medieval Costume and Fashion .
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Medieval Costume and Fashion
Herbert Norris, Dover Publications
Obwohl dieses Buch von Herbert Norris oftmals Bezug auf die überholten Ausführungen von Violet le Duc nimmt, enthält es doch gerade für England eine durch Auszüge aus Rechnungen und zeitgenössischen Textpassagen angereicherte, mit schönen Zeichnungen illustrierte, Wanderung durch die Kostümgeschichte. Der günstige Preis macht es auch vor allem für Einsteiger interessant, es wird jedoch empfohlen, die dort teilweise enthaltenen Schnitte nicht 1:1 als Vorlage zu verwenden, sondern hierzu Primärquellen heranzuziehen.
0486404862 (German).
 

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